Pressemitteilung, 8. Oktober 2018
Vorkaufsrecht für Hausgemeinschaft „ElWe 44“ gescheitert / Investor unterschreibt Abwendungsvereinbarung
Knapp zwei Monate lang hat die Hausgemeinschaft der Elbestraße 19/ Weigandufer 9 dafür gekämpft, dass ihr Haus nicht an das Unternehmen JFT Grundbesitz Nr. 28 GmbH und deren Geschäftsführer Julian Kunz verkauft wird. Kurz vor Ablauf der Frist, am 8. Oktober 2018, hat der Käufer allerdings eine rechtsgültige Abwendungsvereinbarung vorgelegt. Damit sind alle Bemühungen der Hausgemeinschaft und des Bezirks Neukölln, das Vorkaufsrecht auszuüben und einen Drittkäufer vorzuschlagen, gescheitert. Das Haus geht damit an die JFT Grundbesitz Nr. 28 GmbH , der Vertrag wird am 1.1.2019 rechtskräftig.
Die Hausgemeinschaft hat sich gegen den Verkauf gewehrt, weil es einerseits Verbindungen des Käufers zum Firmengeflecht Padovicz gibt – ein Investor, der nicht im Interesse der Mieter*innen handelt. Andererseits hat sich die Hausgemeinschaft von Beginn an gegen eine Abwendungsvereinbarung mit dem Käufer gewehrt, denn diese schützt nur begrenzt:
Selbst wenn mit einer solchen Vereinbarung bestimmte Ziele des Milieuschutzes gewahrt werden, ist mittelfristig eine Verdrängung von Gewerbe und sozial schwachen Mieter*innen durch Modernisierungsmaßnahmen zu erwarten. Im Falle unserer Hausgemeinschaft trifft dies vor allem das Café Erika & Hilde, den Lautsprecherladen „Einhorn“ sowie viele soziale Härtefälle, die mit allen anderen nun weiter um ihre Zukunft bangen müssen.
Die Hausgemeinschaft hat von Anfang an viel Energie dafür aufgewendet, sich mit anderen Initiativen und Hausgemeinschaften zu vernetzen, hat mit etlichen Vertreter*innen aus Politik (sowohl Senat und Bezirk) Kontakt aufgenommen und um Solidarität gebeten, öffentlich Druck mit Aktionen wie einer Kundgebung aufgebaut und Kiezversammlungen durchgeführt.
Wir haben darauf gehofft, dass das erklärte Ziel der Berliner Politik, Wohnungen wieder dem kommunalen Bestand zuführen, ernst gemeint ist. Aber offenbar sind die politischen Strukturen nicht ausgereift, dies auch konsequent umzusetzen. Das ist ernüchtern und enttäuschend.
In unserem Fall gab es sogar zwei potentielle Drittkäufer, die beide für den Kauf bereit gewesen wären: eine städtische Wohnungsbaugesellschaft sowie eine Neuköllner Genossenschaft. Diese Drittkäufer haben im Verfahren jedoch das Nachsehen, sobald der ursprüngliche Käufer die Abwendungsvereinbarung unterschreibt.
Unser Fall gleicht damit dem anderer „verkaufter“ Hausgemeinschaften, die ebenso aktiv wurden und sich vergebens für eine effektive Durchsetzung des Vorkaufsrechts eingesetzt hatten. So zum Beispiel die Hausgemeinschaft „Amma 65“ im Wedding, die in Eigeninitiative und mit Unterstützung von Stiftungen ihr Haus in Eigenverwaltung hätten übernehmen können. Auch dort wurde am Ende eine Abwendungsvereinbarung unterschrieben und so ein „Vorkauf“ verhindert.
Es muss mit aller Deutlichkeit gesagt werden: Das „Vorkaufsrecht“ der Berliner Bezirke ist kein Recht auf Vorkauf! Es wird von Abwendungsvereinbarungen unterlaufen, die in Gesprächen zwischen Käufer und Bezirk ausgehandelt werden und an deren Ende der Käufer die finale Entscheidung trifft.
Aus diesem Grund haben wir in unserer Anfrage in der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln am 26.9.2018 die Formulierung schärferer Abwendungsvereinbarungen gefordert. In der Antwort verweist Baustadtrat Jochen Biedermann zwar auf eine eventuelle zukünftige Prüfung zur „Verschärfung der bisher geübten Praxis“.
Allerdings heißt es weiter: „Die in eine Abwendungsvereinbarung aufzunehmenden Verpflichtungen einer Erwerberin/eines Erwerbers sind allerdings auch nicht frei verhandelbar oder beliebig erweiterbar, sondern müssen sich an den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Rechtmäßigkeit orientieren.“
Aus unserer Sicht sind sozial gerechtes Wohnen, keine Verdrängung gewachsener Mietstrukturen („Milieu“) und faire Mieten sehr wohl Grundsätze, die man als verhältnismäßig und rechtmäßig bezeichnen kann. Wir fordern, dass sich die Berliner Politik für den Schutz von Hausgemeinschaften einsetzt und dabei rechtssichere Mittel schafft, um diesen effektiv umzusetzen.
Für uns als Hausgemeinschaft waren die vergangenen Wochen nicht nur kräftezehrend sondern äußerst beunruhigend. Die Unsicherheit, nicht zu wissen, wo und wie man in Zukunft wohnen wird, ist sehr belastend.
Es hinterlässt weiterhin ein zwiespältiges Gefühl, wenn die verantwortliche Politik ehrenamtliches Engagement von den betroffenen Hausgemeinschaften befürwortet und damit die Verantwortung über die Durchsetzung des Grundrechts auf Wohnen auf die Zivilgesellschaft überträgt, andererseits aufgrund von politischen Strukturen nicht in der Lage ist, den Schutz zu gewährleisten.
Wir glauben weiterhin daran, dass eine aktive Zivilgesellschaft für ein offenes, vielfältiges und sozial gerechtes Berlin unerlässlich ist. Gegenüber finanzstarken Immobilieninvestoren braucht sie allerdings die Unterstützung der Politik.
Trotz dieses Rückschlags werden wir engagiert bleiben und alles dafür tun, dass die Hausgemeinschaft der Elbestraße Ecke Weigandufer auch mittelfristig intakt bleibt.
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